EDRS – Die Raumfahrt

SpaceDataHighway

Wer schickt Daten schnell zur Erde?

  • 15.000 Minuten im MonatBis zu vierzig Mal am Tag verlinken sich die vier Sentinel-1 und Sentinel-2-Satelliten des europäischen Erdbeobachtungsprogramms Copernicus per Laser mit dem SpaceDataHighway.
  • Eine Million Bytes Seit Dezember 2016 wurde über den SpaceDataHighway mehr als ein Petabyte Daten übertragen. Derzeit sind es zwei Terabyte pro Tag.
  • Mehr Kapazität Wenn der Relaissatellit EDRS-C Ende 2019 in die Operationsphase eintritt, verdoppelt sich die Zahl der Laserterminals im All und damit die verfügbare Übertragungskapazität auf bis zu 30 Terabyte pro Tag.
  • SchnelligkeitDie beiden Relaissatelliten EDRS-A und EDRC-C übertragen Daten mit 1.8 Gigabit pro Sekunde. Das entspricht einer Million WhatsApp-Nachrichten oder 13 Stunden Youtube-Filme pro Sekunde.
  • WeiterentwicklungDer Relaissatellit EDRS-D, der ab 2023 über Japan im All stationiert werden soll, wird mit 3,6 Gigabit pro Sekunde gleichzeitig Daten an Satelliten im niedrigen Erdorbit und an Flugzeuge übertragen können.
  • Beteiligte BDLI-UnternehmenAirbus, Hensoldt, Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft (IABG mbH), Jena-Optronik, OHB, Telespazio VEGA Deutschland, Tesat-Spacecom, Thales Alenia Space Deutschland, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

Erdbeobachtungssatelliten sehen fast alles auf der Erde. Sie analysieren den Zustand der Meere und Felder, sammeln Informationen über unser Klima; sehen wo der Wald brennt – und wo Umweltsünder auf hoher See Öl verklappen. Klingt praktisch. Ist es auch. Doch die ständig wachsende Datenmenge ist auch eine große Herausforderung. Denn im Speicher des Satelliten sind die Bilder nutzlos. Sie müssen zur Erde. Und das am besten schnell.

Doch die meisten Satelliten können ihre Daten nur dann herunterschicken, wenn sie in Reichweite ihrer Bodenstationen sind. Das sind im erdnahen Orbit etwa zehn Minuten pro Runde. Dann dauert es 80 Minuten, bis der Satellit wieder erfasst werden kann. So lange werden die Bilder gespeichert. Vor allem in Notsituationen, in denen sich die Lage blitzschnell ändert, können aktuelle Bilder über Leben und Tod entscheiden. Und Umweltsünder auf hoher See lassen sich viel schwerer erwischen, wenn es keine Möglichkeit gibt, ihre Route live zu verfolgen.

Aus Stunden werden Minuten

Das europäische Daten Relaissystem (EDRS), auch SpaceDataHighway genannt, macht aus Stunden wenige Minuten. „Die Erdbeobachtungsatelliten schicken ihre Daten nicht mehr nur direkt an ihre Bodenstationen in Norwegen, Italien und Spanien, sondern per Laserlink mit 1,8 Gigabit pro Sekunde an einen Relaissatelliten im geostationären Orbit, knapp 36.000 Kilometer über dem Äquator“, erklärt Matthias Wiegand, Head of EDRS Infrastructure bei Airbus in Ottobrunn. „Der sendet die Daten per Funk zur Erde.“ Da die Daten kontinuierlich zur Erde übertragen werden können, müssen sie nicht mehr gespeichert werden, bis die Satelliten ihre eigene Bodenstation überfliegen und die Satelliten haben mehr Speicherplatz, neue Daten zu sammeln.

Geostationäre Satelliten haben fast die Hälfte der Erdkugel ständig im Blick und können viel länger mit den erdnahen Satelliten verbunden bleiben. Und, da sie sich synchron mit der Erde bewegen, haben sie stets Kontakt zu ihren eigenen Bodenstationen. So gelangen aus dem All übertragene Informationen, etwa über Ort und Ausbreitung eines Waldbrandes, in Quasi-Echtzeit in die richtigen Hände.

„EDRS ist wie 5G-Technologie in Zero G“, formuliert es Matthias Motzigemba, Program and Development Manager EDRS bei Tesat-Spacecom und spielt damit auf die englische Bezeichnung für Schwerelosigkeit, „Zero Gravity“ an. „Der bis zu 40.000 Kilometer lange Laserlink ist wie ein Glasfaserkabel im Weltraum.“

 

SpaceDataHighway - How it ©Airbus

Weltweit einzigartiges Netzwerk

Der erste geostationäre Knotenpunkt des SpaceDataHighways, EDRS-A, startete im Januar 2016 als Gastnutzlast auf dem Kommunikationssatelliten Eutelsat 9B ins All und hat seitdem in mehr als 24.000 Verbindungen über eine Million Bytes zur Erde übertragen. Am 6. August 2019 folgte der zweite Knotenpunkt, EDRS-C mit einem Bilderbuchstart an Bord einer Ariane 5. Sobald dieser erste eigene Satellit des Systems Ende 2019 seinen regulären Betrieb aufnimmt, wird er die Kapazität für Datendownloads von Erdbeobachtungssatelliten auf 30 Terabyte verdoppeln.

EDRS-Erstkunde ist Copernicus, das Erdbeobachtungsprogramm der Europäischen Kommission. Ab Ende 2016 wurden die Sentinel Satelliten schrittweise in den SpaceDataHighway integriert. Bis zu 40 Mal am Tag verlinken sich heute die zwei Sentinel-1-Radarsatelliten und die beiden optischen Sentinel-2-Satelliten mit ERDS-A und liefern so täglich etwa zwei Terabyte Daten zur Erde. Dadurch hat sich die von den Satelliten nach Europa übertragene Datenmenge bei Sentinel-1 um 50 Prozent erhöht; bei Sentinel-2 hat sich die Wiederholfrequenz für die Kartierung der gesamten Erde von zehn auf fünf Tage reduziert.

Bei der ersten Live-Demonstration des SpaceDataHighways im Juli 2019 in Brüssel konnten sowohl Europa-Abgeordnete vor Ort als auch eine EU-Delegation in Tokyo gemeinsam mit Vertretern der japanischen Industrie miterleben, wie schnell die Datenübertragung per EDRS funktioniert. Mit Bildern, die der Erdbeobachtungssatellit Sentinel-1B nur Sekunden vorher gemacht und per Laser übertragen hatte, überprüften Mitarbeiter der Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs EMSA mehr als 40 Schiffe auf dem Atlantik auf mögliche Ölleckagen. Es dauerte insgesamt nur zehn Minuten bis das Bild live den Zuschauern in Brüssel und Tokyo gezeigt werden konnte. Ohne die EDRS-Laserlinks hätte allein die Übertragung der Bilder vom Erdbeobachtungssatelliten zu Erde über 1 Stunde gedauert.

EDRS ist ein wirklicher Game Changer – ganz egal wo sich der Sentinel-Satellit befindet, es dauert weniger als 15 Minuten bis das ausgewertete Bild bei den Einsatzkräften ist.

Mathias Schneidereit Geschäftsfeldentwicklung EDRS bei Airbus

Hochtechnologie aus Deutschland

Die erste kommerzielle Anwendung optischer Satellitenkommunikation im Weltraum ist hauptsächlich ein deutsches Baby. Das Laserkommunikationsterminal (LCT), das Herzstück des Systems, wurde, unterstützt vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Backnang bei Stuttgart von Tesat-Spacecom entworfen, gebaut und getestet. Auch das hybride Kommunikationssystem, das die Daten auf dem Satelliten erst verarbeitet und dann als Funksignal zur Erde überträgt, wurde in Backnang entwickelt. Die Genauigkeit der Laserverbindungen wird durch Sternensensoren des thüringischen Raumfahrtunternehmens Jena-Optronik unterstützt. Die optischen Messinstrumente ermöglichen es den geostationären Relaisatelliten ihre genaue Position und Ausrichtung im Orbit zu bestimmen. Der Sternensensor ASTRO APS ist leichter und robuster als seine Vorgängersensoren und verbraucht trotz höherer Leistung weniger Strom. Der Anfang August 2019 mit großem Medienrummel ins All gestartete Relaissatellit EDRS-C beruht auf der von OHB entwickelten SmallGEO-Satellitenplattform und wurde in Bremen gebaut. Getestet wurde bei der IABG (Nachweis der Start- und Weltraumtauglichkeit) und bei Airbus in München.

Betreiber Airbus finanziert in einer öffentlich-privaten Partnerschaft mit der europäischen Raumfahrtagentur ESA knapp ein Drittel der EDRS-Infrastruktur. Deutschland ist mit 235 Millionen, also zu 61 Prozent, an dem Projekt beteiligt. Das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Medien, Energie und Technologie stellte 7,5 Millionen zur Verfügung.

 

Das Bild zeigt den Satelliten ERDS-C in einer Testanlage. Credit: ESA
EDRS-C in der Airbus Compact Antenna Testanlage in München.

Bodenstationen in Deutschland, Belgien und England

Der SpaceDataHighway wird hauptsächlich von Deutschland aus gesteuert: Der Gesamtverantwortung des Datenrelais-Systems liegt bei Airbus in Ottobrunn. Der Relaissatellit EDRS-C samt Nutzlast und die Nutzlast von EDRS-A werden vom Deutschen Raumfahrtkontrollzentrum (GSOC, englisch German Space Operations Centre) des DLR in Oberpfaffenhofen betrieben. Ein Operations Team von Telespazio VEGA Deutschland unterstützte in Schichtteams beim Betrieb von EDRS-C – vor allem beim Start und in der frühen Orbitphase – und ist weiterhin in die Planung und Kommunikation zwischen den EDRS-A und EDRS-C Nutzlasten und dem Bodensegment eingebunden.

Das Bodensegment  selbst, das zum Großteil vom DLR aufgebaut und finanziert wurde, wird ebenfalls von Oberpfaffenhofen aus kontrolliert. Die Bodenstation mit den beiden Hauptantennen steht in Weilheim und je eine Antenne in Redu, Belgien und Harwell, England. „Dank eines neu entwickelten vollautomatisierten Systems, das die geplanten Links annimmt, verarbeitet, optimiert und überwacht, können wir in jeder Schicht pro Relaissatellit bis zu 100 Verbindungen aufbauen und parallel dazu Wartungen und gegebenenfalls Fehleranalysen durchführen“, erklärt Felix Huber, Direktor des DLR-Raumflugbetriebs.

 

 

Deutsche Lasertechnologie statt Funkfrequenzen

Das Laserkommunikationsterminal wird kontinuierlich weiterentwickelt – und verkleinert. Zum Vergleich: Schon bei EDRS-A, das auf Höchstleistung ausgelegte LCT, das seit Januar 2016 als Gastnutzlast auf dem Kommunikationssatelliten Eutelsat 9B im All mitfliegt, hatten die Ingenieure alles darangesetzt, es so klein wie möglich zu bauen. Schließlich sind Platz und Energie im Weltraum knapp. Mit 53 Kilogramm Gewicht und den Maßen 60x60x70 Zentimetern galt EDRS-A zum Startzeitpunkt als klein. Vor wenigen Wochen hat jetzt Tesat Spacecom das erste Cube-Sat-LCT, ein Laserkommunikationsterminal für Kleinsatelliten, ausgeliefert. Das etwa handygroße Gerät wiegt weniger als 400 Gramm und kann mit 100 Megabit pro Sekunde Daten von einem erdnahen Orbit direkt zur Erde übertragen.

 

Das Bild zeigt ein Laserkommunikationsterminal für Kleinsatelliten.
Das Laserkommunikationsterminal für Kleinsatelliten wiegt nur 400 Gramm. ©Tesat-Spacecom

 

Auch das ist Zukunftstechnologie. Denn bislang gelangen Satellitendaten vor allem per Funk zur Erde. Das Frequenzspektrum ist jedoch begrenzt und wird weltweit streng reguliert; der Wettbewerb um die noch verbleibenden Slots wird immer härter. Lasertechnologie ist hingegen unabhängig von Frequenzbändern. Zudem können optische Verbindungen weder gestört noch abgehört werden. Daher arbeiten die Forscher daran, die Übertragungsrate des LCTs auf 3,6 Gigabit pro Sekunde zu erweitern und die mögliche Entfernung für eine Laserverbindung von 40.000 Kilometern auf 80.000 Kilometer zu verdoppeln.

Breitbandverbindung zur ISS

Zu den künftigen Nutzern des SpaceDataHighways zählt unter anderem die Internationale Raumstation ISS. Ende dieses Jahres soll die neue Columbus Ka-Band Antenne (ColKa) montiert werden, mit der sich die Raumstation über Hochfrequenz mit dem Ka-Band-Empfänger von EDRS-A verbinden kann. So sollen den Astronauten an Bord der Station endlich Übertragungsgeschwindigkeiten von 50mbit/s beschert werden. Damit werden dann mehr Live-Videos von der Station zur Erde geschickt und größere Mengen an Experimentierdaten ausgetauscht werden können. Die Verbindung soll außerdem genutzt werden, um schneller Kommandos an die Systeme der Station zu senden.

Gleichzeitig wird auch ein Laserterminal zur ISS gebracht, das für die Kommunikation mit den externen Experimenten auf dem neuen „Forschungsbalkon“ Bartolomeo eingesetzt werden soll. TOSIRIS, kurz für Tesat Optical High Speed Infrared Link System, ist eine besonders leichte und kompakte Version des LCT, das sich per Laser direkt mit mehreren Bodenstationen verlinken und Daten mit zehn Gigabit pro Sekunde übertragen kann. Ziel ist es, OSIRIS auch in die ISS-Infrastruktur einzubinden. „Laserkommunikation über Bartolomeo ebnet den Weg für eine Digitalisierung des ISS-Betriebs und ermöglicht den direkten Zugriff auf riesige Datenmengen für eine breite Nutzerbasis“, sagte Oliver Juckenhöfel, Leiter On-Orbit Services and Exploration bei Airbus. Bartolomeo soll bis Ende dieses Jahres den Betrieb aufnehmen und vor allem kommerzielle Kunden dabei unterstützen, neue Technologien unter Weltraumbedingungen zu testen.

Auch die vier neuen optischen Erdbeobachtungssatelliten von Airbus, die Pléiades Neo-Konstellation, die ab 2020 ins All starten sollen, werden den SpaceDataHighway dafür nutzen, ihre Bilder in Quasi-Echtzeit auf einer für registrierte Nutzer zugänglichen Internetplattform bereitzustellen. Sie sind mit der weiterentwickelten LCT-Generation LEO Smart für Nutzersatelliten im erdnahen Orbit ausgerüstet.

 

 

Die ganze Welt wird abgedeckt

EDRS-D, der nächste Knotenpunkt des SpaceDataHighway, soll ab 2023 über Japan stationiert werden, um auch die Asien-Pazifik-Region abzudecken. Airbus und der japanische Telekommunikationssatelliten-Betreiber SKY Perfect JSAT haben bereits im Februar 2019 eine Kooperationsvereinbarung über die Entwicklungsvorbereitung unterschrieben.

Der dritte Relaissatellit soll drei der weiterentwickelten LCT an Bord haben, um sich gleichzeitig mit mehreren Satelliten, Flugzeugen und Drohnen verlinken zu können. „EDRS-D wird sich außerdem mit den anderen Relais-Satelliten verbinden und so Daten fast in Echtzeit von einer Seite der Erde auf die andere schicken können“, sagt Mathias Schneidereit, EDRS Geschäftsfeldentwicklung bei Airbus. Die mögliche Entfernung für stabile Datenlinks wird von bis zu 40.000 Kilometer auf über 80.000 Kilometer erhöht.

Als weitere Ausbaustufe des Systems wird zudem überlegt, einen vierten Relaissatelliten, EDRS-E, über Amerika zu positionieren. Damit wäre dann eine weltweite Abdeckung durch den SpaceDataHighway erreicht.