TerraSAR-X – Die Raumfahrt

Radarsatelliten

Wer sieht alles ganz genau?

  • 3D-Karte der ErdeTerraSAR-X und TanDEM-X fliegen teilweise nur 120 Meter voneinander entfernt auf demselben Orbit. Im Tandembetrieb sendet ein Satellit Radarsignale aus und beide empfangen gleichzeitig die Reflektionen. So entstehen dreidimensionale Bilder – Grundlage für WorldDEM, das erste lückenlose digitale Höhenmodell der Erde.
  • LanglebigDie beiden deutschen Radarsatelliten arbeiten schon viel länger als erwartet. TerraSAR-X ist am 15. Juni 2007 ins All gestartet, der fast baugleiche TanDem-X folgte am 21. Juni 2010. Beide waren für einen Betrieb von fünf Jahren ausgelegt.
  • PunktgenauDie Radar-Zwillingssatelliten TerraSAR-X und TanDEM-X können selbst bei Dunkelheit und dichter Wolkendecke jeden Punkt auf der Erde erfassen – mit einer hochgenauen Auflösung. Damit lassen sich selbst kleinste Objekte erkennen.
  • Sichere SchiffsroutenSelbst kleine, unter 15 Meter große im Meer treibende Eisbrocken werden von TerraSAR-X entdeckt und von einem Algorithmus automatisch bestimmt und gemeldet. Der Satellit liefert auch Informationen zu Wind und Seegang in Nahe-Echtzeit.
  • NeulandTerraSAR-X ist der erste deutsche Satellit, der gemeinsam von Öffentlichen Hand und der Raumfahrtindustrie in einer sogenannten Public Private Partnership (PPP) finanziert wurde.
  • Beteiligte BDLI-UnternehmenAirbus, Hensoldt, Jena-Optronik, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

Eigentlich sollten sie längst außer Betrieb sein. Aber die beiden deutschen Erdbeobachtungssatelliten TerraSAR-X und TanDEM-X scheint es nicht zu interessieren, dass sie ihre geplante Lebenszeit schon mehr als verdoppelt haben. Unbeirrt sausen sie mit 7,6 Kilometern pro Sekunde auf ihrer polaren Umlaufbahn um die Erde und tun das, was nur Radarsatelliten können – rund um die Uhr und bei jedem Wetter Bilder unserer Erde liefern. Und das in einer Qualität und Auflösung, an die kaum ein anderer ziviler Radarsatellit heranreicht.

Inzwischen haben wir uns an den Service gewöhnt, den uns ihre Radar-Satellitendaten bieten. Aber als TerraSAR-X am 7. Januar 2008, ein knappes halbes Jahr nach dem Start den regulären Betrieb aufnahm, war die hohe räumliche Auflösung der Bilder und ihre rasche Verfügbarkeit revolutionär. Es war damals längst noch nicht selbstverständlich, dass zum Beispiel Rettungskräfte überall auf der Welt auch bei Unwetter in Fast-Echtzeit detaillierte Lagebilder bekamen oder dass sich Schiffe bei Navigieren durchs Polareis auf hochaktuelle detaillierte Radardaten verlassen konnten.

 

Raumfahrtindustrie und Staat als Partner

Revolutionär war auch das Vertragsmodell: TerraSAR-X ist der erste deutsche Satellit, der gemeinsam von der Öffentlichen Hand und der Raumfahrtindustrie finanziert und genutzt wird. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) konzipierte die Mission, betreibt und steuert den Satelliten. Entwickelt, gebaut und mitfinanziert wurde er von Airbus. Die Rechte an den Daten werden geteilt: Die wissenschaftliche Nutzung liegt beim DLR, die kommerzielle bei Airbus. Für TanDEM-X, den fast baugleichen Zwillingssatelliten, der 2010 ins All startete und seitdem in enger Formation mit TanDEM-X fliegt, gilt dasselbe.

Hauptinstrumente der beiden Satelliten sind zwei, im X-Band-Bereich bei 9,65 Gigahertz arbeitende hochmoderne Radare. Die Antennen strahlen kurze Impulse mit einer Wellenlänge von 3,1 Zentimetern schräg zur Erdoberfläche ab, zeichnen die zurückgeworfen Echos auf und verarbeiten sie zu Bildern. Dabei unterscheiden sie zwischen Punkten in der Nähe und weiter entfernt liegenden Punkten, deren Echos länger brauchen, um wieder bei der Antenne anzukommen.

Technischer Trick macht die Antennen größer

Allgemein gilt: Je größer die Antenne, desto mehr Echos kann sie auffangen und desto höher ist die räumliche Auflösung. Da es schwierig ist, große Antennen in den Weltraum zu schicken, funktionieren die Radarinstrumente von TerraSAR-X und TanDEM-X nach dem Prinzip der synthetischen Apertur (englisch: Synthetic Aperture Radar, SAR). Das heißt, sie nutzen einen technischen Trick, um eine viel größere Antenne zu simulieren. Dazu fliegen die Satelliten sehr schnell und speichern während des Überfluges viele nacheinander empfangene Radarechos. Die Informationen werden dann in Relation zur in der Zeit zurückgelegten Entfernung zusammengesetzt. So vergrößert sich fiktiv die Größe der Antenne in Flugrichtung.

Die aktiven Antennen haben 384 horizontale sowie 384 vertikale einzelne Strahler. Durch Überlagern der Strahlen kann der Strahl senkrecht zur Flugrichtung in einem Schwenkbereich zwischen 20 und 60 Grad elektrisch verstellt werden, ohne die Antenne oder den Satelliten selbst bewegen zu müssen. So lassen sich aus der Flugbahn mehr unterschiedliche Ziele anpeilen. Das schwenkbare Radar macht es unter anderem möglich, dass jeder Ort der Erde innerhalb von ein bis drei Tagen beobachtet werden kann.

Die deutsche Raumfahrt hat sich mit diesen Missionen eine weltweit anerkannte Expertise in der Radartechnologie erworben. Das gilt nicht nur für die in Friedrichshafen, Ulm und Bad Wurzach gebauten Satelliten und Instrumente, sondern auch den Teil der Missionen, der unten auf der Erde stattfindet: Empfang, Verwaltung, rasche Verarbeitung und Weitergabe der wertvollen Radardaten. Diese Infrastruktur wurde von den beiden Projektpartnern, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und Airbus völlig neu geschaffen. Das Netz der Bodenstationen reicht von Neustrelitz (Mecklenburg-Vorpommern), Kiruna (Schweden), Inuvik (Kanada) bis in die Antarktis nach O’Higgins.

Weltweit profitieren heute Unternehmen und Wissenschaftlern davon, dass TerraSAR-X und TanDEM-X durch ihre hohe Wiederholrate ständig aktuelle Bilddaten von jedem Punkt der Erde liefern können. Dazu bietet die Fülle der während der vergangenen zwölf Jahre gesammelten Daten einzigartige Chancen für Langzeituntersuchungen. Das gilt nicht nur für Landstriche, Küsten- oder Meeresregionen, sondern auch für Infrastrukturen wie Brücken oder Staudämme. Sogar Gebäude können mit den Satelliten millimetergenau vermessen werden.

 

 

Höhere Sicherheit auf hoher See

TerraSAR-X und TandDEM-X machen das Netzwerk der Satelliten, mit denen Schiffe auf hoher See geortet und unterstützt werden können, sehr viel engmaschiger. Vor allem in den Polarregionen sind die schnell verfügbaren Bilder als Navigationshilfen von unschätzbarem Wert. Meereis kann sich innerhalb von Stunden verändern und so zusammenschieben, dass selbst Eisbrecher nicht mehr durchkommen. Bis vor wenigen Jahren mussten sich Kapitäne vor allem auf ihre Erfahrung verlassen, um zu erkennen, ob eine Passage befahrbar ist oder nicht. Diese Erfahrung brauchen sie immer noch, aber jetzt haben sie Unterstützung aus dem Orbit. Wissenschaftler der Forschungsstelle „Maritime Sicherheit“ des DLR Earth Observation Centers (EOC) in Neustrelitz und am Institut für Methodik der Fernerkundung in Bremen analysieren die TerraSAR-X-Bilder mit eigens entwickelten Algorithmen. So können sie Bewegungen im Meereseis erkennen, die Lage einschätzen und Kapitänen eine sichere Passage durch driftendes Eis ermöglichen. „Die Satellitenbilder liefern Informationen, von denen Seefahrer früher nicht zu träumen wagten“, sagt Polarforscher Arved Fuchs, der 2016 mit seinem Schiff Dagmar Aaen die Radardaten zum Navigieren in der Arktis nutzte. „Die richtige Routenwahl wird durch die vorausschauenden Aufnahmen revolutioniert und damit deutlich sicherer.“

In Kombination mit den Daten weiterer Erdbeobachtungssatelliten und Ortungssystemen unterstützen die deutschen Radarbilder und Analysetools Behörden auch dabei, Piraten zu verfolgen, Schiffe zu erwischen, die auf See Gefahrenstoffe verklappen und Fischern, die in Schutzgebieten auf Fischfang gehen, das Leben schwerer zu machen.

Die Satellitenbilder liefern Informationen, von denen Seefahrer früher nicht zu träumen wagten.

Arved Fuchs Polarforscher

Einzigartige Daten für die Forschung

Das wissenschaftliche Interesse an den Daten der TerraSAR-X- und TanDEM-X-Satelliten ist auch nach mehr als zwölf Jahren ungebrochen. Kaum eine andere Satellitenmission liefert eine solche Fülle an Langzeit-Informationen für so viele verschiedene Forschungsgebiete wie das deutsche Radar-Duo im Orbit; keine andere Mission liefert derartige hochauflösenden 3D-Daten. Geoforscher untersuchen damit unter anderem Vulkanausbrüche, Tsunamis oder Erdbeben, um Frühwarnsysteme für diese Naturkatastrophen zu verbessern.

 

Vorher-Nachher Radarbilder zeigen die Veränderungen des Krakatau-Vulkans in Indonesien nach dem Tsunami 2018.
Radaraufnahmen des Krakatau Vulkans in Indonesien vor (links) und nach dem Tsunami 2018 (rechts). @DLR

 

Ein weiteres Beispiel für die vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten ist die Waldhöhenkarte, die gerade gemeinsam von NASA und DLR erstellt wird. Um detailliertere Klimamodelle zu der Entwicklung von freiem Kohlenstoff in unserer Atmosphäre erstellen zu können, arbeiten Wissenschaftler gerade mit den 3D-Daten an einer digitalen Höhenkarte, die zeigt, wie groß die Bäume in den Wäldern der Erde sind. Warum? Wälder sind einer der größten Kohlenstoffspeicher des Planeten. Und je höher ein Baum ist, desto mehr Kohlenstoff hat er gespeichert. Werden Wälder im großen Stil abgeholzt oder durch Brände vernichtet, wirkt sich das direkt auf das Klima aus.

Andere Klimaforscher machen sich die besondere Eignung der Radardaten zunutze, Eis in den Polarregionen zu beobachten. Sie verfolgen Veränderungen in Gletschern, Eisschilden und -schollen, um Rückschlüsse auf die globale Erwärmung zu ziehen. Noch nie wurden Grönland, Arktis und Antarktis so genau vermessen und die Veränderungen großer Gletscher so genau erfasst und dokumentiert wie mit den deutschen Radarsatelliten.

Der grönländischen Gletscher Jacobshavn Isbrae, der die meisten Eisberge in der nördlichen Hemisphäre produziert, wird seit zehn Jahren von dem Radar-Duo beobachtet. Seine Geschwindigkeit hat sich in den letzten zwanzig Jahren mehr als verdoppelt und in den letzten zehn Jahren den Meeresspiegel um einen Millimeter erhöht. „Die langfristige Überwachung ist wichtig, um zu verstehen, wie sich der Meeresspiegel auf die Küstengemeinden der Welt auswirken wird“, sagt Ian Joughin vom Polar Science Center des Applied Physics Lab von der University of Washington.“ Der Forscher war im Oktober mit rund 250 Wissenschaftlern aus 40 Ländern zum „TerraSAR-X und TanDEM-X Science Meeting“ des DLR nach Oberpfaffenhofen gekommen.

 

 

Im Mai 2018 navigierte ein Forscherteam rund 1000 Kilometer über das Ross Schelfeis, ein bislang unerforschtes Gebiet in der Antarktis. Dabei verließen sie sich, ähnlich wie die Kapitäne auf den Meeren, auf TerraSAR-X-Daten. Das Radarinstrument kann nämlich nicht nur bei jedem Wetter Eisberge und -schollen auf dem Meer im Blick behalten, sondern auch durch trockenen Schnee hindurch Spalten und Risse im Eis erkennen. „Ohne die Daten wäre es so, als ob wir uns blind auf einem Minenfeld bewegen“, bilanzierte Dana Floricioiu vom Earth Observation Center (EOC) des DLR. Das neuseeländische „Ross Ice Shelf Project“ untersucht, wie das Shelfeis der Antarktis auf die globale Erwärmung reagiert. Die Radaranalyse mit TerraSAR-X zeigte, dass ein Teil der Eismassen nicht mehr am Meeresgrund verankert ist, sondern schwimmt.

Da sich mit Hilfe der Daten erkennen lässt, wie dick und stabil Meereis ist, nutzten im Oktober die Wissenschaftler der Forschungsmission MOSAiC (English für Multidisziplinäres Driftobservatorium zur Untersuchung des Arktisklimas) TerraSAR-X-Daten, um die perfekte Eisscholle für ihr Forschungscamp zu finden. Das Expeditionsschiff, der Eisbrecher Polarstern, soll an der Scholle andocken, festfrieren und ein Jahr lang mit dem Packeis durch die Zentralarktis driften. Mehr als 70 wissenschaftliche Institute aus 40 Ländern sind mit hunderten Forschern beteiligt.

 

Einzigartiges 3D Höhenmodell der Erde

Doch die beiden deutschen Satelliten können noch mehr. TanDEM-X ist nicht nur der Name des zweiten Radarsatelliten, sondern auch die Bezeichnung für die gemeinsame Mission der beiden: TerraSAR-X add-on for Digital Elevation Measurement im X-Band – grob übersetzt: TerraSAR-X-Zusatz für digitale Höhenmessungen. Zusammen ergeben die beiden das erste programmierbare Radar-Interferometer im Weltraum.

Für die Nicht-Techniker unter uns: Die beiden leicht versetzt in Formation fliegenden Weltraum-Radare ergänzen sich ähnlich wie ein menschliches Augenpaar. Im Tandem-Modus sendet nur einer der beiden ein Signal aus, das beiden empfangen. So sind sie in der Lage, dreidimensionale Bilder der Erde zu machen.

Dreieinhalb Jahre nahmen TerraSAR-X und TanDEM-X so die gesamte Landfläche der Erde auf – 150 Millionen Quadratkilometer wurden mindestens zweimal, schwieriges Gelände auch drei- bis viermal abgetastet. Ergebnis ist WorldDEM, das erste lückenloses 3D-Höhenmodell der Erde mit absoluten vertikalen Genauigkeiten von bis zu unter vier Metern. Auch das setzt völlig neue Maßstäbe. So exakt wurde die Erde noch nie dargestellt. WorldDEM wird unter anderem für die Herstellung von Karten, in der zivilen Luftfahrt, bei der Planung von Infrastrukturprojekten, in der Öl & Gas Industrie, im Bergbau und auch in der militärischen Aufklärung eingesetzt.

Die WorldDEM-Mission war komplexe Herausforderung für die Techniker, Ingenieure und IT-Experten der beiden Missionspartner DLR und Airbus. Da ist zum einen das Fliegen selbst: Bei einer Geschwindigkeit von rund 28.000 km/h und einem Abstand von bisweilen nur 140 Metern, darf kein Fehler passieren. „Noch sind zwei Satelliten so lang mit derart hoher Geschwindigkeit und so geringem Abstand zueinander um die Erde geflogen. Hier ist das DLR weltweit führend“, sagt Gertrud Riegler, damals Produktmanagerin für WorldDEM bei Airbus. Dann ist da die schiere Menge der Daten:  Mehr als 1.5 Petabyte mussten verwaltet und verarbeite werden. Das Rohmodell wurde vom DLR automatisch erstellt. Airbus bearbeitet und verfeinert die Daten je nach Verwendungszweck.

Zwar sind Ausdauer und Zuverlässigkeit von TerraSAR-X und TandDEM-X ungebrochen, aber wenn es nach den DLR-Forschern geht, vermisst in naher Zukunft ein weiteres deutsches Radar-Duo die Erde. Diesmal im L-Band (23,6 Zentimer Wellenlänge), soll es im Wochenrhythmus systematisch dynamische Prozesse auf der Erdoberfläche erfassen. Radarstrahlen mit großer Wellenlänge durch die Vegetation bis zum Erdboden vordringen und dabei Echos aus allem Bereichen der Vegetation empfangen. So könnte die neue Raumfahrttechnologie dreidimensionalen Strukturen von Vegetations- und Eisgebieten erfassen und Deformationen großflächig millimetergenau vermessen.