Sentinel-2 – Die Raumfahrt

Erdbeobachtung

Wer unterstützt die Landwirtschaft?

  • Raumfahrttechnologie aus Deutschland für die LandwirtschaftSowohl das Radarinstrument für Sentinel-1 als auch die beiden Satelliten für Sentinel-2 wurden in Deutschland entwickelt und gebaut.
  • Daten für alleAlle Sentinel-Daten sind nach Themen sortiert auf Copernicus Open Access Hub frei zugänglich und dürfen von Unternehmen, Behörden, Wissenschaftlern und Privatpersonen kostenlos verwendet werden.
  • Mehr Ertrag bei geringerem Einsatz von RessourcenMit Satellitendaten können Landwirte effizienter und nachhaltiger wirtschaften.
  • Im Dienst der WelternährungWenn im Jahr 2050 rund 9,7 Milliarden Menschen auf der Erde leben, müssen 70 Prozent mehr Lebensmittel produziert werden als heute.
  • LaserkommunikationDie Satelliten beider Sentinel-Missionen sind mit den Laserkommunikationsterminals (LCT) ausgerüstet und können ihre Daten auf dem SpaceDataHighway in Fast-Echtzeit zur Erde schicken.
  • Beteiligte BDLI-UnternehmenAirbus, Hensoldt, Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft (IABG mbH), Jena-Optronik, Tesat-Spacecom, Telespazio VEGA Deutschland, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)

Die Zukunft der Landwirtschaft schwebt im Orbit. Immer mehr deutsche Landwirte spannen in ihrem Arbeitsalltag ganz selbstverständlich Satelliten ein – ganz gleich ob für Kommunikation, Navigation, Wettervorhersagen oder die Analyse ihrer Felder – der Service und die Daten kommen aus dem Orbit. Sie sorgen für stabile Mobilfunknetze, lenken Maschinen, warnen vor Unwettern und verraten, wie es auf den Feldern wirklich aussieht.

Der „Fuhrpark in All“ unterstützt Landwirte dabei, sich der enormen Herausforderung zu stellen für eine wachsende Weltbevölkerung immer mehr gesunde Nahrungsmittel zu produzieren – und gleichzeitig Ressourcen zu sparen, die Böden gesund, das Wasser sauber und die Biodiversität hoch zu halten. Denn wenn man genau weiß, wo auf dem Feld die Pflanzen gut wachsen und wo nicht, wo Nährstoffe oder Wasser gebraucht werden und wo nicht, kann man Saatgut, Dünger, Pflanzenschutzmittel und auch Wasser gezielt und damit sparsamer einsetzen. Das spart Kosten und erhöht gleichzeitig die Erträge. Kombiniert mit digitalen Farm-Managementprogrammen und Landwirtschaftsmaschinen, die sich per IoT (Internet of Things) miteinander vernetzen und digital steuern lassen, nennt sich das Ganze dann Landwirtschaft 4.0 oder Smart Farming.

Boom durch Sentinel-Daten

Vor allem Copernicus, das Klima- und Umweltbeobachtungsprogramm der Europäischen Union gibt der Entwicklung von Landwirtschaft 4.0 in Deutschland einen Riesenschub. Copernicus führt Messungen und Beobachtungsdaten unterschiedlicher Quellen am Boden, zu Wasser in der Luft und im Orbit zusammen und stellt die Daten in den Copernicus Services Nutzern auf der ganzen Welt kostenfrei zur Verfügung.

Herzstück des Programms sind die eigens entwickelten Satellitenmissionen, die seit 2014 im Orbit Daten sammeln. Jeder der Sentinel-Satelliten (englisch für Wächter) erfüllt eine spezifische Aufgabe. Für die Landwirtschaft sind vor allem die Sentinel-1 und Sentinel-2-Satelliten interessant, die durch ihre Instrumente, die hochauflösenden Daten und ihre hohe Wiederkehrrate perfekt geeignet sind, landwirtschaftliche Flächen zu beobachten.

„Noch ist das Bild heterogen, aber Deutschland ist bei der Entwicklung zu einer digitalen und nachhaltigeren Landwirtschaft mit besserem Management der Böden und des Wassers ganz vorn mit dabei – und dazu brauchen wir die Satellitendaten, sagt Heike Bach. Ihre Firma, die Vista Fernerkundung GmbH, war 1995 eine der ersten, die systematisch Erdbeobachtungsdaten für Kunden aufbereitete und auswertete. „Früher mussten wir für jedes Satellitenbild zahlen. Mehr als zwei oder drei waren selten drin. Heute nutzen wir 200 Satellitenbilder und mehr, um einen Betrieb zu verstehen.“ Die Sentinel-Daten hätten für die Landwirtschaft 4.0 einen richtigen Boom ausgelöst, sagt die studierte Hydrologin. „Es ist eindeutig ein wachsender Markt.“

 

 

Pflugspurenkontrolle mit Radar

Die Sentinel-1-Mission besteht aus zwei Radarsatelliten, die im April 2014 und April 2016 ins All gestartet sind und seitdem die Erde um 180 Grad zeitversetzt auf derselben polaren Umlaufbahn umkreisen. Die Wiederholrate der Zwillingssatelliten liegt bei sechs Tagen. Beide haben ein bis auf fünf Meter hochauflösendes C-Band-Radar mit synthetischer Apertur (SAR) an Bord. Damit können sie unter anderem die Struktur der Erdoberfläche mit ihren Veränderungen, etwa durchs Pflügen, perfekt abbilden oder Bodenfeuchte erkennen. Und das rund um die Uhr und auch bei dichter Wolkendecke.

Deutschland ist weltweit führend in der Entwicklung und dem Bau von weltraumgestützten Radarinstrumenten. Das Sentinel-1-Instrument steht in der Tradition erfolgreicher Missionen wie TerraSAR-X und TanDEM-X und kommt aus den Airbus-Reinräumen in Friedrichshafen. Die 880 Kilogramm schwere Hauptantenne machte rund 40 Prozent des Startgewichts des Satelliten aus. Sie ist 12,3 X 0,90 Meter groß und besteht aus 560 miteinander gekoppelten Einzelantennen. Das Instrument arbeitet im C-Band bei 5.405 GHz, also mit einer Wellenlänge von sechs Zentimetern. In der höchsten Leistungsstufe kann es Veränderungen am Boden im Millimeterbereich wahrnehmen.

Sentinel-1 schaut dem Gras beim Wachsen zu

Landwirte können so unter anderem ihr Gras wachsen sehen – die Münchner Geodaten-Unternehmen GAFAG nutzt die Radardaten, um den Stand von Futtergras abzubilden. Die Wachstumskarten helfen, den optimalen Zeitpunkt der Heuernte zu planen oder die Gesamtmenge an Futtergras zum Saisonende vorauszusehen. Die SARfields-Karten der Firma Spatial Business Integration informieren Landwirte zur Winteraussaat, ob ihre Felder überhaupt mit schweren Maschinen befahrbar sind. Das Unternehmen nutzt die Radardaten um die Bodenfeuchte auf den unbestellten Feldern zu ermitteln. Die Landwirte können dann ihre Maßnahmen genau auf die Bedingungen abstimmen.

Die beiden Satelliten werden vom ESOC (European Space Operations Centre) gesteuert, dem Kontrollzentrum der ESA in Darmstadt, und liefern täglich mehr als zwei Terabyte Daten an das Copernicus-Nutzlastbodensegment PDGS (englisch für Payload Data Ground Segment). Das Darmstädter Raumfahrtunternehmen Telespazio VEGA Deutschland war hier an maßgeblich an Bau und Entwicklung beteiligt. Die Daten werden dann in zwei Aufbereitungs- und Archivzentren weitergeleitet (PAC, englisch für Processing and Archiving Centre), dort archiviert, thematisch für die Copernicus Services aufbereitet und Nutzern auf der ganzen Welt auf den Copernicus Open Access Hub zur Verfügung gestellt.

Beide Satelliten tragen Sensoren zur Lageregelung von Jena-Optronik und sind mit Laserkommunikationsterminals (LCT) von Tesat-Spacecom ausgerüstet. Sie können also ihre Daten per Laser auf dem SpaceDataHighway in Fast-Echtzeit zur Erde schicken.

Sentinel-2 sieht die Welt in Farbe

Die Sentinel-2-Satelliten die modernste Umweltmission für Daten im optischen und nahen Infrarotbereich.  Seit ihren Start im Juni 2015 und im März 2017 umkreisen sie die Erde zeitversetzt auf derselben sonnensynchronen Umlaufbahn. So überfliegen sie dieselben Gebiete immer zur gleichen Ortszeit. Dadurch haben sie immer dieselben Lichtverhältnisse und können Veränderungen auf der Erdoberfläche besser dokumentieren.  Bei freier Sicht bilden die Satelliten alle fünf Tage jeden Punkt der Erde mindestens einmal ab.

Da Sentinel-2 optische Daten sammelt, gibt es bei geschlossener Wolkendecke keine Bilder. Ihre optischen Multispektralkameras beobachten die Erdoberfläche in 290 Kilometer breiten Streifen und sammeln mit 13 Kanälen Daten im sichtbaren und nahinfraroten Spektrum.

Für die Landwirtschaft sind vor allem die Nahinfrarotkanäle wichtig. Damit können sie unter anderem quadratmetergenau erkennen, wie dicht die Blätter der Feldfrüchte sind. Der „Blattflächenindex“ ist eine Schlüsselgröße, um die Biomasse auf Feldern und in den Wäldern abzuschätzen. Die Kameras erkennen auch wie hoch der Chlorophyll- und Wassergehalt der Pflanzen ist. Daraus kann man ihr Wachstum und den Gesundheitszustand einschätzen.

Entwickelt und gebaut wurden die Satelliten in Friedrichshafen, von einem von Airbus angeführten Konsortium von 60 Unternehmen, darunter auch eine ganze Reihe deutscher Raumfahrtunternehmen. Die Sternsensoren, Bildverarbeitungselektronik und optischen Filter kommen von Jena-Optronik aus Jena, (Hensoldt hier bitte Liste vervollständigen!) getestet wurde bei der IABG in München. Auch diese Sentinel-Mission ist durch zwei Laserkommunikationsterminals (LCT) von Tesat-Spacecomm an den SpaceDataHighway angeschlossen und kann Daten in Fast-Echtzeit zur Erde schicken.

Konservativ gerechnet haben die Sentinel-2 Satelliten eine Lebensdauer von sieben Jahren, aber die Ressourcen sind so ausgelegt, dass es gut möglich ist, dass sie dann noch fünf weitere Jahre Daten liefern. Die deutsche Radarmission TerraSAR-X hat ihre Lebenszeit schon mehr als verdoppelt.

 

Das gif zeigt einmal das Satellitenbild und bunte markierte landwirtschaftliche Flächen.
Sentinel-2 erkennt aus dem Orbit, welche Pflanzen auf dne Feldern angebaut werden. Die Animation zeigt die Gegend um Emmellord in den Niederlanden. Kartoffeln sind in rot, Gemüse und Blumen in orange, Getreide gelb und Gras blau markiert. @ESA

 

Breitband per Satellit

Eines der größten Hindernisse für die Landwirtschaft 4.0 ist der langsame Ausbau des terrestrischen Mobilfunknetzes, vor allem in den ländlichen Gebieten. Der Grund liegt auf der Hand: Ohne die Signale der Navigationssatelliten können die Landwirtschaftsmaschinen weder automatisch auf den Feldern fahren, noch sich untereinander vernetzen. Von Smart Farming Applikationen, Software-Updates oder Fernwartung des Fuhrparks ganz zu schweigen. Auch hier bekommen die Landwirte Unterstützung aus dem All. Das intelligente hybride Modem IHM, das Telespazio VEGA Deutschland gemeinsam mit der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) und dem Landmaschinenhersteller John Deere im Rahmen des von der Europäischen Raumfahrtagentur ESA geförderten Projekts agriloc  entwickelt hat, schaltet je nach Verfügbarkeit automatisch zwischen terrestrischem Mobilfunk und den Iridium NEXT -Telekommunikationssatelliten hin und her.

Und mit dem FullSat-System des Darmstädter Raumfahrtunternehmens können sich Landwirte dort, wo Sendemasten fehlen, selbst Breitbandanschlüsse schaffen, die ausschließlich per Satellit funktionieren. Ganz gleich ob die stationäre oder die portable Version – sind einfach aufzustellen und kosten in etwa so viele wie ein Smartphone.

 

Bald wird aus dem All noch genauer hingeschaut

In 2020 will Deutschland einen eigenen optischen Erdbeobachtungssatelliten in den Orbit schicken. Der Hyperspektralsatellit EnMAP (englisch: Environmental Mapping Analysis Program) wird derzeit im Auftrag des Deutschen Zentrums für Luft-und Raumfahrt (DLR) bei dem Bremer Raumfahrtunternehmen OHB entwickelt und gebaut.

Die Mission, an der auch Hensoldt und Jena-Optronik beteiligt sind, soll die 10 x 10 Meter Auflösung von Sentinel-2 auf 5 x 5 Meter verbessern. „Mit den neuen Hyperspektralsensoren kann ich dann zum Beispiel den Humusgehalt direkt aus den Sensordaten kartieren und die Nährstoffversorgung in den Pflanzen besser erklären. Das sind wichtige Größen für Stickstoff und Düngemaßnahmen“, erklärt Vista-Chefin Heike Bach.

Bei der geplanten Erweiterung des Copernicus-Programms, Sentinel Expansion, die Ende November auf der ESA-Ministerratskonferenz Space19+ diskutiert wird, laufen derzeit Machbarkeitsstudien für eine mit Hyperspektralsensoren ausgerüstete Sentinel-Mission namens CHIME (englisch für Copernicus Hyperspectral Imaging Mission).